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Harlekins, Modellflugzeuge, Zinnsoldaten



Versatzstücke kindlicher Bildwelten treffen in Robert Sturmhoevels Arbeiten auf Abgründiges. In seinen großformatigen Aquarellen und Leinwänden verdichtet der junge Berliner Maler Erinnertes und Erlebtes, Erfundenes und Erträumtes zu komplexen Erzählungen, die in ihrer Doppeldeutigkeit an ironische Landschaftsidyllen der Romantik erinnern.


Die Idylle erscheint hier nicht als ungebrochenes Ideal oder Gegenentwurf, sondern als überhöhte und gebrochene Idee, die Idyllisches und Antiidyllisches verknüpft. So treten an die Stelle arkadischer Landschaften leer stehende Fabrikhallen, Abrisshäuser und heruntergekommene Jahrmarktbuden. Motive, die von Verfall, Zerstörung und dem Vergessen erzählen und die der Künstler als „Erinnerungsmomente“ beschreibt.


Als Vorlage für die Konstruktion seiner Bildräume dienen Robert Sturmhoevel Fotografien, eigene Fotografien, was wichtig ist, da sie stets mit einem Erlebnis, einer Idee verknüpft sind. „Erzählen die Bilder selbst bereits die ganze Geschichte, werden es Fotoarbeiten“, so der Künstler. Er sucht nach Leerstellen und Brüchen.


Die Räume, in denen sich die meist kindlichen Protagonisten bewegen, scheinen vertraut und bleiben doch unbestimmt. Sie entpuppen sich nicht selten als Collagen, in denen sich teils widersprüchliche Elemente überlagern: Wie in der Studie „Autoscooter 2“, in der die Kabine eines Fahrgeschäfts mitten in einem verfallenen Industriegebäude auftaucht und die Szene so, aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen, seltsam ort- und zeitlos erscheint.


Der Künstler verweist in diesem Zusammenhang auf den Begriff der „Heterotopien“, jene bei Foucault und Lefevbre beschriebenen „anderen Orte“, die u.a. durch „kulturelle Relevanz, funktionale Veränderbarkeit“ und die „Integration von Unvereinbarem“ gekennzeichnet sind. „Orte außerhalb aller Orte“, wie es bei Foucault heißt.


Eben diese Unvereinbarkeiten sind es, die sich wie ein roter Faden durch das bildnerische Schaffen des jungen Künstlers ziehen, das sich stets zwischen kindlicher Idylle und düsterer Hintergründigkeit, zwischen Kitsch und Abgründigkeit bewegt. Und sich so nicht zuletzt einer eindeutigen Lesart versucht zu verweigern.


Auch die Protagonisten in Robert Sturmhoevels Bildern entziehen sich häufig dem Blick des Betrachters – sie wenden ihr Gesicht ab, verstecken sich oder bleiben ganz in ihr unschuldiges (oder doch folgenreiches?) Spiel vertieft. Sie wirken abwesend, wie ausgesetzt. Und doch bilden sie den Dreh- und Angelpunkt einer Erzählung, die um so mehr Brüche aufzuweisen scheint, je mehr man versucht sich ihr zu nähern.


Muster zeichnen sich in den Arbeiten ab und über- oder unterlagern die Bildräume, wie Spuren einer freigelegten Tapete, wie Erinnerungen, im Auflösen begriffen. Robert Sturmhoevel komponiert seine Bilder auf Grundlage eines Repertoires an Elementen, die er in einem klar umrissenen Arbeitsablauf entwirft, ausformuliert und – ein Begriff, den der Künstler oft verwendet, wenn er über seine Arbeiten spricht – „missbraucht“. Am Anfang dieses Prozesses stehen kleinformatige Zeichnungen, Skizzen, in denen das Vokabular der Erzählungen festgelegt wird, die in den Aquarellstudien und schließlich in den Leinwandarbeiten ausformuliert und fixiert werden.


Die aktuelle Serie von 50 kleinformatigen Leinwänden, die unter dem Titel „Zielscheiben“ einen Großteil der aktuellen Ausstellungen in Berlin, Hamburg und London einnehmen wird, nimmt in diesem Ablauf eine Sonderstellung ein. Anders als in den Großformaten stehen hier einzelne Elemente im Fokus: Luftballons, Wasserpistolen, Tapetenmuster, Farbschlieren.




Kim André Schulz, 2012


1  Beatrice von Bismarck, Hoffnungsträger - Foucault und de Certeau, in: Texte zur Kunst, Nr. 47, Berlin 2002.

2  Michel Foucault, Andere Räume, in: Martin Wentz (Hg.), Stadt-Räume, Frankfurt/New York: 1991.


    

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